Zagreber Germanistische Beiträge - Nr. 17 - Inhalt / Sadržaj |
THEMENSCHWERPUNKT: INSZENIERUNGEN DER HISTORIE IN DER DEUTSCHSPRACHIGEN LITERATUR DES 20. JAHRHUNDERTS: "EINE GESCHICHTSSTANDPAUKE IST MEIN STÜCK". THOMAS BERNHARD UND DIE GESCHICHTE(N) Walter PAPE Für Thomas Bernhard machen die 'Privatgeschichte' und das Problem ihrer Erzählbarkeit die grundsätzlichen Grenzen von Erinnerung und Subjektivität und ihrer Darstellung bewusst, sowohl in den nicht der 'Realität', aber einer 'Wahrheit' verpflichteten autobiographischen Texten als auch in den 'Erinnerungen', 'Erzählungen', inneren Monologen seiner Geistesmenschen in erzählerischer Prosa und im Drama. Nicht 'Geschichte' ist deshalb das eigentliche Thema Thomas Bernhards, sondern die komplexe Struktur menschlicher Erfahrung und ihre Sinngebung in der Moderne. Insofern wird in seinem OEuvre das Problem der "Psychologie der Geschichtsstiftung" (Theodor Lessing) ebenso verhandelt wie Nietzsches Überzeugung, dass es "ganz und gar unmöglich [sei], ohne Vergessen überhaupt zu leben". ZUM STATUS DER DOKUMENTE IN ALEXANDER KLUGES SCHLACHTBESCHREIBUNG ODER "FICTION IN DER AUSDRUCKSFORM DES DOKUMENTARISCHEN" Milka CAR Die leitende Frage der vorliegenden Arbeit lautet: Kann Schlachtbeschreibung Alexander Kluges als ein narrativer fiktionaler Text betrachtet werden? In der Analyse wird der im Untertitel des Romans enthaltenen Absicht des Erzählers besondere Aufmerksamkeit geschenkt, nach der im Text "organisatorischer Aufbau eines Unglücks" dargestellt werden soll. Schon in dieser programmatischen Formulierung kommt die erwähnte Zwiespältigkeit des Romans zwischen Dokument und Fiktion, Narration und Geschichte zum Ausdruck. Hier wird auch Kluges theoretisches Literaturverständnis untersucht, in dem die Möglichkeit einer rationalen Erkenntnis der historischen Ereignisse in einer unmittelbaren Beziehung zu Emotionen und Imagination steht. EIN WEGEN HISTORISCHER HINDERNISSE UND KÜNSTLEREGOS MISSLUNGENER AUFSTAND. BERTOLT BRECHT, ZEITKONZEPTION UND GESCHICHTSAUFFASSUNGEN IN DIE PLEBEJER PROBEN DEN AUFSTAND VON GÜNTER GRASS Rikard PUH Dieser Beitrag schlägt vor, das Augenmerk bei der Deutung des 1966 entstandenen Künstler- bzw. Geschichtsdramas Die Plebejer proben den Aufstand von Günter Grass weg vom darin vermeintlich vorkommenden Motiv Bertolt Brecht und hin auf das Grass'sche Modell des resignierenden Intellektuellen, die komplexe Zeitstruktur und die Thematisierung der Geschichte zu richten. DIE UNENDLICHE ARBEIT AM MYTHOS. ANMERKUNGEN ZU CHRISTOPH RANSMAYRS EPOPÖETISCHEN ROMAN DER FLIEGENDE BERG Wolfgang MÜLLER-FUNK Der Aufsatz analysiert Ransmayrs Roman Der fliegende Berg im Anschluss an Hans Blumenberg als 'Arbeit am Mythos'. Dabei werden vor allem die Veränderungen, die der Autor im Hinblick auf die tibetische Mythologie des fliegenden Berges unternimmt, ins Blickfeld gerückt. Die Analyse beschränkt sich aber nicht nur auf die semantische Ebene, sondern konzentriert sich auf die formalen Strukturen eines Romans, der auch als eine moderne Epopöe gelesen werden kann. ERINNERN UND ERZÄHLEN IN DEN SUCHBILDERN VON CHRISTOPH MECKEL Norbert WICHARD Die erzählerischen Erinnerungsverfahren in den literarischen Suchbildern von Christoph Meckel stehen im Zentrum der Analyse. Dabei erweist sich eine komplexe Zitationstechnik, die unter anderem kritisch eine erlebte Konversationssprache aufgreift, als ein geeignetes Darstellungsmittel von Erinnerung in Literatur. DAS GESCHICHTSDRAMA NACH DEM ENDE DES GESCHICHTSDRAMAS. ÜBER EINIGE STÜCKE ELFRIEDE JELINEKS Ingo BREUER Elfriede Jelineks Theaterstücke sind darauf angelegt, die bestehenden Grenzen von Drama und Theater auszuloten und zu sprengen - und damit auch die Grenzen des Geschichtsdramas. Die Gattungstheorie kann dem Problem nur gerecht werden, wenn sie die Stücke u.a. als semiotische Apparaturen zur Herstellung von 'historischen' Bedeutungen begreift. Dann gilt nicht mehr nur eine Nachahmung vergangener Handlungen als 'historisch', sondern alle Verweise auf Historizität, also auch Jelineks ideologiekritische, dekonstruktive Geschichtsstücke und Gedächtnisdramen. MANHATTAN MEDEA: EIN MYTHOS DER ERINNERUNG? Antje ROEBEN Das Medea-Mythologem wird in Dea Lohers Drama von 1999 durch den globalisierten Raum, wie bereits im Titel Manhattan Medea ersichtlich, aktualisiert. Die neue Welt wird in der Stofftradition der alten gegenüber gesetzt und ersetzt, denn es geht um Integration der illegalen Einwanderer. Medeas Festhalten an der gemeinsamen schuldhaften Erinnerung und Jasons 'Kunst des Vergessens' spaltet das Paar endgültig: Die Verknüpfung von Erinnerung, Wahrnehmung von Vergangenheit und Identität ist Kern des Medea-Mythologems und gestaltet sich bei Loher zu einem Drama der Erinnerung. LEBENSARTEN DER MELANCHOLIE UND VERZWEIFELTER AKTIVISMUS. (SELBST)INSZENIERUNGEN DER ALTACHTUNDSECHZIGER IN UWE TIMMS ROMAN ROT Marijan BOBINAC Im Aufsatz wird den (Selbst-)Inszenierungsarten von Figuren der Alt-68er in Uwe Timms Roman Rot (2001) nachgegangen, wobei das Interesse v. a. den beiden entgegengesetzten Positionen von "Lebensarten der Melancholie" und "verzweifeltem Aktivismus" gilt. Vor dem Hintergrund historischer Erinnerungen an die für die 68er-Generation formativen Ereignisse wird das Augenmerk auch auf die Strategien gelegt, die Timms Akteure zur Bewahrung ihrer sich auflösenden Identität verwenden. Die Rekonstruktion dieser sinnstiftenden Bemühungen soll schließlich auch den Blick auf das in Rot entworfene Geschichtsbild freilegen. CAMERA OBSCURA EINER GEGENWÄRTIGEN HISTORIENDICHTUNG. ZU GERHARD SEYFRIEDS ROMAN HERERO Ivana PERICA Vor dem Hintergrund der postkolonialen Theorie wird der Roman Herero gelesen, mit dem sich der sonst als Comiczeichner und Cartoonist berühmte Autor Gerhard Seyfried auch als Schriftsteller in Szene setzte. Da der Roman von der Kritik meistens negativ rezensiert wurde, wird hier ein Versuch gemacht, die Erzählweise (und nicht die Erzählinhalte) des Romans zu problematisieren. Den Repräsentationsaspekt zu untersuchen - vor allem im Sinne der literarischen Darstellung der Geschichte und anderer Ethnien, aber auch ihrer Vertretung im politischen Sinne - heißt letztendlich zu prüfen, ob in der Darstellung selbst eine Ideologie der Form festzustellen wäre, die es dem heutigen Erzähler zulässt, allwissend zu erzählen, ohne die eigene Position zum Thema einnehmen zu müssen. LITERATURWISSENSCHAFT: DIE DÄMONISIERUNG DES WEIBLICHEN. ZU KERSTIN SPECHTS DAS GLÜHEND MÄNNLA Danijela KAPUSTA Katrin Spechts Das glühend Männla ist ein in der Tradition des neuen kritischen Volksstücks geschriebenes Familiendrama, das sich mit dem Alltag einer kleinbürgerlichen Familie sowie den entfremdeten Beziehungen und Machtkämpfen ihrer Mitglieder auseinandersetzt. Die Autorin beschreibt zwei von der dörflichen Gemeinschaft marginalisierten Frauen, die ihre ganze Aufmerksamkeit in kompensatorischer und possessiver Weise auf den Sohn richten. Specht beschäftigt dabei die Frage nach den Auswirkungen gesellschaftlicher Machtmechanismen auf das psychische und soziale Verhalten der Frauen, die als Außerseiterinnen gelten. Anhand des Beispiels der Mutter zeigt Specht die Deformationen, die diese Mechanismen in ihrer Rolle als Mutter und als Frau hervorrufen. SPRACHWISSENSCHAFT: DER GOTISCHE OPTATIV UND SEINE FRÜH- SOWIE NEUHOCHDEUTSCHEN ENTSPRECHUNGEN IM NEUEN TESTAMENT Niko MARIĆ - Slađan TURKOVIĆ Durch den gotischen Optativ, der seiner Form nach eine Fortsetzung des indoeuropäischen Optativs ist, drückt Wulfila verschiedene Bedeutungen wie Wunsch, Appell, Befehl, Verbot, Zweifel oder Möglichkeit aus. Im Gegensatz zum gotischen, äußerst einfachen Modussystem verfügt das Fnhd. und Nhd. über mehrere Modi, einem reichen Inventar an unterschiedlichen Sprachmitteln, idiomatischen Ausdrücken und vielen Umschreibungen, die den gotischen Optativformen im funktionellen Gebrauch äquivalent sind. Der vorliegende Beitrag untersucht kontrastiv die syntaktisch-semantische Funktion des gotischen Optativs und seiner morphosyntaktischen Äquivalente in der Bibelübersetzung von Wulfila, Martin Luther und der neuhochdeutschen Version von Luthers Bibeltext. DIE SPRACHKONFLIKTE IN DER HABSBURGERMONARCHIE AUS DISKURSANALYTISCHER SICHT. AM BEISPIEL DEUTSCHSPRACHIGER BROSCHÜREN, KLAGE- UND STREITSCHRIFTEN - SKIZZE EINES FORSCHUNGSVORHABENS UND ERSTE ERGEBNISSE Richard REUTNER Der Aufsatz skizziert die Möglichkeiten einer diskursanalytischen Untersuchung der Sprachkonflikte in der Habsburgermonarchie und bringt erste Ergebnisse dazu. Problematisiert wird der beliebte Vergleich der Polyglossie im multilingualen Reich der Habsburgermonarchie mit der Vielsprachigkeit innerhalb der Europäischen Union. POSTULAT DER VERSTÄNDLICHKEIT ALS WICHTIGER FAKTOR IN DER FACHÜBERSETZUNG Vlastimila PTÁČNÍKOVÁ Die Erkenntnisse in einzelnen Fächern stellen anspruchsvolle Anforderungen an die Fachkompetenz sowie an die Beachtung des Postulats der Verständlichkeit in der Fachkommunikation. In der fachlichen Äußerung sind v. a. zwei Faktoren entscheidend: die Bemühung um eine verständliche, an den Bedürfnissen und Erwartungen des konkreten Adressaten orientierte Mitteilung und die Bemühung des Rezipienten, den jeweiligen Text zu verstehen. Für die verständliche Textformulierung gibt es eine Reihe von Techniken, die ebenfalls im Fachsprachenbereich zu applizieren sind. Der Beitrag befasst sich mit den Techniken, die man bei der Übersetzung von Fachtexten aus dem Tschechischen ins Deutsche anwenden kann. FACHDIDAKTIK: FACHSPRACHUNTERRICHT FÜR JURISTEN Ljubica KORDIĆ - Maja HÄUSLER Wegen rechtsgeschichtlicher Verbundenheit des kroatischen Rechtssystems mit dem deutschsprachigen Raum ist die Rezeption deutscher Fachliteratur in Kroatien unumgänglich für wissenschaftliche Beschäftigung mit zahlreichen juristischen Themen. Der Beitrag berichtet über die Ergebnisse der Erforschung sprachlicher Herkunft in juristischen Publikationen angegebener Fachliteratur, weist auf einige Probleme des fachspezifischen Deutschunterrichts an juristischen Fakultäten in Kroatien hin und zeigt, auf Grund einer Bedarfsanalyse, die Richtung, in welcher Lösungen zu suchen wären. TAGUNGEN: Slavija KABIĆ DIE KONFERENZ DES SÜDOSTEUROPÄISCHEN GERMANISTENVERBANDES (SOEGV) IN ZADAR BESPRECHUNGEN: Rikard PUH DEM FEUILLETON AUF DIE FINGER GESEHEN Nicole Tsalikoglou: Qualität von Theaterkritiken. Grundlagen - Kriterien - Bewertung, VDM (Verlag Dr. Müller), Saarbrücken 2008 Richard REUTNER IMMER AKTUELL: DIE FRAGE DER GESCHLECHTERSTEREOTYPE IN DER WERBUNG Christina Holtz-Bacha (Hg.): Stereotype? Frauen und Männer in der Werbung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008 Richard REUTNER ZWEI NEUERSCHEINUNGEN ÜBER DAS VERHÄLTNIS DER DEUTSCHSPRACHIGEN ZUEINANDER Walter Lendl: Darum nerven die Österreicher. Eichborn, Frankfurt/Main 2007 Bruno Ziauddin: Grüezi Gummihälse. Warum uns die Deutschen manchmal auf die Nerven gehen, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2008 Aleksandra ŠČUKANEC SPRACHENPOLITIK UND SPRACHKULTUR Detlev Blanke und Jürgen Scharnhorst (Hg.): Sprachenpolitik und Sprachkultur, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2007 Franjo JANEŠ KROATISCHE TOURISTIKWERBUNG IN DEUTSCHER ÜBERSETZUNG Mirko Gojmerac und Pavao Mikić: Kroatische Touristikwerbung in deutscher Übersetzung, Naklada Slap, Zagreb 2008 Vlasta KUČIŠ FACHÜBERSETZUNG ALS TRANSLATORSCHE HERAUSFORDERUNG Vlastimila Ptáčniková: Theorie und Praxis des Übersetzens unter besonderer Berücksichtigung der Übersetzung deutschsprachiger Fachtexte ins Tschechische. Infothek. Verlag & Literaturwerkstat |