Markus Koller, Universität Bochum
Die Konstruktion von Peripherien in imperialen Kontexten (mit einem Schwerpunkt auf dem Osmanischen Reich)
Die historische Forschung hat sich bisher eingehend mit den vielfältigen Erscheinungsformen und Funktionen imperialer Grenzen beschäftigt und dabei Grenze primär als Außenhaut eines Reiches interpretiert. Der Blick auf den osmanisch-habsburgischen Grenzraum mit der vergleichsweise großen Zahl osmanischer Verwaltungseinheiten, den Festungsgürteln beider Imperien und das engmaschige habsburgische Verwaltungssystem an der Militärgrenze verweist auf eine weitere Bedeutung von Grenze. Sie kann auch vor dem Hintergrund eines Ringens lokaler Herrschaftsträger und der Zentralmacht um die Raum-Macht und Grenzziehungs-Macht innerhalb des eigenen Herrschaftsgebietes interpretiert werden. Grenze erscheint dadurch als eine mögliche Analysekategorie, mit deren Hilfe das insbesondere seit dem 18. Jahrhundert sowohl in der Habsburger Monarchie als auch im Osmanischen Reich zu beobachtende Streben nach einem immer festeren Zugriff auf die Untertanen erfasst werden kann. Die Bewohner beider Imperien sahen sich verstärkt einsetzenden Versuchen zur Regulierung, Klassifizierung und Kontrolle der Bewegung konfrontiert. Innerhalb der Habsburger Monarchie erhielten die Grenzen von Wirtschafts- und Verwaltungsräumen ein neues Gewicht und seit der Schaffung eines gemeinsamen Zollgebietes (1775), wodurch die Binnenzolllinien weggefallen waren, erlangte dessen Außengrenze einen großen Bedeutungszuwachs. Ein doppeltes Bewachungssystem, in dem die Zollkontrolle der Zivilgrenzkordonsmannschaft und die militärische Sicherung dem Militärkordon unterlagen, unterstreicht diese Entwicklung. Der Vortrag wird in vergleichender Perspektive insbesondere am Beispiel der Binnenmigration aufzeigen, wie auch innerhalb des Osmanischen Reichs die Bedeutung von Grenzen zunahm. Auf eine längere Tradition können beispielsweise die Bemühungen zurückgeführt werden, den Zuzug nach Istanbul zu reglementieren. Bis zum 18. Jahrhundert dominierten Maßnahmen, die sich auf bereits zugewanderte Personen bezogen. Diese wurden beispielsweise in leichter überwachbare Wohneinheiten untergebracht oder der Stadt verwiesen. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts scheint ein verstärktes Augenmerk auf die Verhinderung von Zuwanderung gelegt worden zu sein. Die Binnenmigration wurde dann endgültig mit den Regelungen der Jahre 1826 und 1841 der staatlichen Kontrolle unterworfen.