Odsjek za germanistiku Filozofski fakultet Sveuilite u Zagrebu
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Dolmetschen. Simultan. Ispis

Franjo Janeš im Gespräch mit der Universitätslektorin Vesna Ivančević Ježek (November 2003)


Wer kann Simultandolmetscher werden?

Die Voraussetzung sollten möglichst gute, nahezu perfekte Sprachkenntnisse sein. Gewöhnlich setzt man im Ausland voraus, dass praktisch zwei Muttersprachen vorliegen. Wenn das nicht der Fall ist, so kann man natürlich das Studium immatrikulieren, aber es sind sehr lange intensive Auslandsaufenthalte erforderlich. Was die Eignungen, die menschlichen oder intellektuellen Fähigkeiten angeht, so sind meines Erachtens Reaktionsschnelligkeit, Flexibilität, schnelle Erfassung erforderlich. Natürlich sollten sich junge Menschen, die Simultandolmetscher werden möchten, immer wieder darauf besinnen, zu lesen und ihr Wissen zu erweitern, das Realwissen aber auch Kulturkenntnisse, also das, was eben an Inhalten in dem zu Übersetzenden vorkommen kann.

Gibt es Anzeichen, dass eine Person für den Dolmetscher-Beruf nicht geignet ist oder kann man mit viel Übung und Arbeit Chancen erwerben?

Ich glaube, dass tatsächlich nicht jedermann dazu geignet ist. Wenn zum Beispiel die mentale Beschaffenheit so ist, dass jemand zwar ein sehr tiefer Denker ist und nach langer Zeit der Überlegung sehr gute Resultate hervorbringen kann, kann es trotzdem so sein, dass er im Eifer des Gefechts, also dann wenn es erforderlich ist, sein Output zu liefern, eine Hemmung hat und das nicht schafft. Ein solcher Mensch sollte dann vielleicht diesen Beruf nicht ergreifen. Also, ein Talent, angeborene oder eben in der frühen Kindheit erlernte Eigenschaften sind, meine ich, schon eine Voraussetzung. Ich glaube nicht, dass jedermann durch Arbeit oder Fleiß Simultandolmetscher werden kann. Das sage ich jetzt nicht nur um meine Marktposition zu wahren (ha-ha!).

Kurz ausgedruckt, wie sieht denn der Unterricht für einen künftigen Simultanübersetzer aus?

Da bin ich vielleicht nicht die richtige Ansprechsperson, da ich kein solches Studium absolviert habe. Ich weiß, dass sicherlich nicht mit dem mündlichen Überstzen begonnen wird, sondern es wird zunächst eine Übersetzerausbildung absolviert, das heißt schriftliches Übersetzen mit sehr viel Übersetzungsübungen, je nach Institution anfangs auch mit Sprachübungen. Im Unterschied zu der Lage in Kroatien gibt es Institute, die sich tatsächlich nur mit dem Dolmetsch- oder Übersetzerstudium befassen, wo man nicht ein gesamtes philologisches Studium absolvieren muss, wenn schon entsprechende Sprachkenntnisse und auch inhaltliche Kenntnisse aus der Übersetzungstheorie vorhanden sind.

Gibt es psychologische Tricks, um das Gehirn zu verdoppeln?

Tja, psychologische Tricks... Es gibt sicherlich Konzentrationsübungen. Ich habe mich damit, ehrlich gesagt, nie befasst, weil ich bisher meistens mit meiner Konzentration ganz gut ausgekommen bin. Das war für mich meistens kein Problem. Es gibt sicherlich nach einer gewissen Erfahrung, nach praktischer Arbeit den Effekt, dass viele Syntagmen - und das kann man auch üben, im Studium - eingeübt sind, dass nicht alle Begriffe aufs Neue aktuell zu übersetzen sind, das wäre ja unmöglich, sondern dass tatsächlich automatische Links sozusagen, Verknüpfungen bestehen, dass man etwas einfach automatisch übersetzt. Es kommt durchs linke Ohr etwa der kroatische Begriff und auf der anderen Seite schießt dann der deutsche heraus, so ungefähr. Das hilft dann natürlich.

Was hat Sie dazu veranlasst, sich mit dem Simultandolmetschen zu befassen?

Das ist wie oft, glaube ich, im Leben ein Zufall gewesen. Ich wurde einfach eines Tages gefragt, nach Vermittlung meiner Lektorin in den Sprachübungen, ob ich bei einem Symposion dolmetschen möchte. Da ich damals nicht bescheiden war (ha-ha!), hab ich gesagt: "Ich werds gern versuchen, warum nicht? Wenn es diese Aufgabe gibt und wenn man niemanden findet, will ich es versuchen." Und das war ein relativ erfolgreicher Versuch. Wahrscheinlich schon eben in einer Phase, wo die übersetzerischen Fähigkeiten und die Erfahrung einigermaßen da waren, so dass ich schon in der Lage war, da einiges zu übersetzen. Das war ein Symposion über Interkulturalismus in der Pädagogik. Also, wie man im Kroatischen sagt: Ich wurde ins Wasser geworfen.

Und wie findet man Überhaupt einen Simultandolmetscher, wenn man einen braucht? Wie werden sie engagiert?

Es gibt heutzutage schon eine ganze Reihe von Unternehmen, die Simultanübersetzen als Dienstleistung anbieten. Ich wäre da relativ vorsichtig, weil es einfach passieren kann, dass man als Auftraggeber jemanden in die Kabine bekommt, der so etwas zum ersten Mal tut, und es gelingt dann vielleicht nicht so gut, oder man bekommt jemanden ohne irgendeine Qualitätsgarantie. Man weiß gar nicht, mit wem man es zu tun hat. Es gibt in Kroatien einen Dolmetscherverband, der - da es keine formale Ausbildung gibt - auch keinen formalen Status haben kann, etwa als eine Übersetzer- und Dolmetscherkammer, oder so etwas, wie es in anderen Ländern der Fall ist. Personen, die Kongresse veranstalten und Ähnliches, die kennen uns. Ansonsten gibt es eigentlich keine Möglichkeit, außer man wendet sich an die genannten Unternehmen und hofft, man bekommt jemand guten.

Wer kontrolliert eigentlich die Arbeit eines Simultanübersetzers? Wie kann man wissen, dass der Übersetzer seine Tätigkeit gut erfüllt hat?

Man muss unterscheiden, von welcher Ebene wir reden. Einerseits gibt es die Möglichkeit, Fachkreise zu befragen, also Leute, die relativ objektiv sagen können, wie jemand seine Aufgabe macht. Die Frage zielt aber wahrscheinlich eher auf die erbrachte Leistung, etwa wie man beurteilen kann, ob die Übersetzung gut war oder nicht, ob sie funktionell war oder nicht. Ich würde mich darauf verlassen, ob nach einem in der Vortragssprache gelungenen Vortrag bei der Diskussion zum Beispiel auch die Zuhörer sich beteiligen, die den Vortrag in der Übersetzung gehört hatten. Also, die Beteiliging der Hörer an der Diskussion ist ein Zeichen. Ich glaube, das wichtigste Zeichen. Ansonsten, wenn Sie nach der Qualität fragen - zuhören und selbst entscheiden!

Der Dolmetscher kann auch totalen Mist sprechen. Wie kann man wissen, ob ein Dolmetscher improvisiert?

Ich würde sagen, dass es, wenn ein Vortrag relativ banal ist, auch möglich ist, als Dolmetscher gar nicht dem Vortrag zu folgen, sondern in ähnlichem Stil den Faden weiterzuführen, ohne eigentlich gut zu übersetzen. Wenn es sich um sehr komplexe Inhalte handelt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Übersetzer improvisieren kann. Das würde mich, ehrlich gesagt, sehr wundern. Man geht ja davon aus, dass ein Übersetzer gut übersetzen will. Es handelt sich offensichtlich nicht um Sabotage, sondern er wird schon sein Bestes tun. Machmal weiß er wirklich nicht, wie er übersetzen kann oder er hat etwas nicht verstanden, manchmal sind es wirklich akustische Probleme - dann kommt eine Lücke vor. Dann hört man tatsächlich nichts, aber es wird nach meiner Erfahrung nicht dazu kommen, dass der Übersetzer einen ganzen Gedanken durch einen anderen ersetzt. Sobald er wieder den Faden hat, wird er weiter übersetzen.

Wie setzt sich der Übersetzer mit Blockaden auseinander?

Wenn eine Blockade wegen Konzentrationsschwäche entsteht, dann kann man sie wahrscheinlich nicht verhindern. Es sei denn, man hat das selbst verschuldet und zu lange übersetzt. Es gibt einen Rhythmus, in dem man sich mit dem Kollegen in der Kabine abwechselt. Bei sehr temperamentvollen, anstrengenden Gesprächen sind das vielleicht zehn Minuten, bei etwas gemächlicheren sind das manchmal 20 Minuten oder sogar bis zu einer halben Stunde, die man simultan dolmetscht - am Stück. Wenn es eine andere Art von Blockade ist, dann ist die zweite Möglichkeit die Hilfe des Kollegen, der ja gewöhnlich mithört und vielleicht auch mithilft und das Wort zuschreibt oder zuflustert. Das sollte man nicht verachten.

Es gibt also keine Solo-Simultandolmetscher?

Doch, das gibt es, weil der Markt und die Kosten es verlangen. Es gibt immer Leute, die in bestimmten Dingen die Regeln nicht beachten, obwohl diese ihren guten Sinn haben. Eine dieser Regeln lautet: man sollte nicht mehr als eine Stunde allein in der Kabine sein. Eine Stunde ist noch zu ertragen, wenn es sich um einen kurzen Vortrag handelt.

Wie sieht die Vorbereitung auf eine konkrete Aufgabe aus?

Die Vorbereitung hängt ab von dem, was man bekommen kann. Wenn es sich um ein wissenschaftliches Symposion und schriftlich fixierte Beiträge handelt, dann sollte man auf jeden Fall versuchen, über den Veranstalter diese Manuskripte im Vorfeld zu bekommen. Also, wenigstens 4-5 Tage vorher. Wir sind es schon gewohnt, tolerant zu sein, einen Tag vorher die Dinge vorzubereiten. Das ist beim Vortrag geschriebener Texte ein Muss. Wer sich in die Kabine setzt und sagt, er kann ein Manuskript, einen geschriebenen Text zu komplexen Themen, geisteswissenschaftlichen, philosophischen und so weiter aus dem Stegreif gut dolmetschen, ist einfach nicht ernst zu nehmen. Handelt es sich um spezifische, vielleicht technische Themen, so wird man sich auch ein bisschen ins Thema einarbeiten, indem man allgemeine Einführungen über diese Disziplin liest und Gelegenheit hat, wenigstens die wichtigsten Begriffe kennenzulernen und nicht zum ersten Mal beim Dolmetschen damit konfrontiert zu werden. Außerdem gibt es das Internet, wo man wirklich sehr vieles schnell finden kann. Allerdings sollte man nicht vergessen, kritisch zu sein, da es im Internet keine Qualitätskontrolle gibt.

Deutsch ist für das Übersetzen eine besonders schwierige Sprache. Es gibt Probleme zum Beispiel bei trennbaren Verben und mit der Syntax überhaupt. Muss es eine Intuition geben?

Mit dem Präfix ist es ja noch leicht, weil der Stammteil des Verbs vorangeht und man weiß, was nachher kommt. Die Verbstellung ist das Problem. So gibt es Sätze wie: "Ich meine, dass..." und jetzt kommt alles Mögliche und erst am Ende kommt: "verursacht wird" oder "bekämpft werden sollte". Sie können es nicht wissen, aber aus dem Kontext heraus können Sie es antizipieren. Und wenn man aus dem Deutschen übersetzt, dann muss man antizipieren, weil man sonst manchmal zu lange warten muss, um den Satz abzuschließen. Das heißt, Sie nehmen ein Verb, das ihnen aus dem Kontext heraus wahrscheinlich erscheint. Sie liegen fast immer damit richtig, weil niemand dem Text so gut folgt wie der Simultandolmetscher, selbst der Referent nicht. Also, antizipieren oder verbessern im Nachhinein.

Wie kann der Übersetzer in seiner Kabine reagieren, wenn der Referent nicht deutlich spricht?

Ein häufiges Problem! Ich darf ergänzen: das Mikrophon fällt aus, es merkt im selben Moment niemand außer dem Dolmetscher, oder die Krawatte reibt sich ständig an dem Mikrophon und man hört immer nur die Krawatte und nicht das Gesprochene. Es gibt noch hunderte von Sachen, die akustisch das Verständnis unmöglich machen. In solchen Fällen hat man mehrere Möglichkeiten. Die erste ist, man schlägt mit einem Hammer gegen die Scheibe der Kabine. Dann tritt der Technikr auf, der es eigentlich hätte zuerst merken sollen. Ein Techniker ist immer dabei. Das ist aber sehr aggressiv, das wirkt nicht angenehm, stört das gesamte Publikum und man vermeidet es in der Regel. Die zweite, zu bevorzügende Möglichkeit ist, dass der Kollege die Kabine verlässt und versucht, diskret aus dem hinteren Teil des Raumes, Zeichen zu machen und zu verstehen zu geben, dass die Akustik nicht stimmt. Die dritte Möglichkeit ist eine technische, die in Kroatien leider nicht immer gegeben ist: dass man nämlich auf einen Knopf drückt auf der Anlage, darauf steht "Communication with the technician", dass man dem Techniker also mit einem akustischen oder Lichtsignal zu verstehen gibt, dass etwas mit dem Kontakt oder der Kommunikation nicht stimmt.

Dialekte?

Dialekte gehören in die Kompetenz des Dolmetschers. Er muss Dialekte verstehen. Im Deutschen gibt es nicht so viele Dialekte, aber man kann auch bitten, dass besonders deutlich gesprochen wird.

Ist es schwieriger ins Deutsche oder ins Kroatische zu übersetzen?

Darauf ist eine Antwort eigentlich nicht möglich, denn Sie müssen fragen: "Für wen?". Wenn man sich rein sprachlich überlegt, was abläuft, so ist die Wortfolge des Kroatischen sehr viel flexibler und gibt den Sinn eigentlich leichter zu verstehen. Ich persönlich bevorzuge oft die Richtung ins Deutsche, gerade weil ich nicht so viel auf das Verb warten muss, und weil die Antizipation nicht so wichtig ist wie umgekehrt. Aber es gibt noch ein anderes Moment, das man berücksichtigen sollte, nämlich, wer spricht oder vorträgt. Und da ist meine Erfahrung, dass deutschsprachige Referenten gewöhnlich besser strukturieren, wenn sie ihre Vorträge halten.

Was halten Sie von Thomas Bernhard, wie gut kennen Sie den Autor?

Hm, ich habe Bernhard im Studium nicht gelesen. Ich gehöre zu einer der Generationen, die damit nicht konfrontiert wurden und Bernhard nicht lesen mussten. Handke ja, Handke war dabei aber wahrscheinlich hat Professor Žmegač damals die Auswahl getroffen, lieber Handke zu machen. Was natürlich nicht heißt, ich hätte das nicht selbst erledigen können, diese Lektüre. Danach zu urteilen, was ich in der Vorbereitung und hier im Symposion über Bernhard jetzt so an Fragmenten zusammentragen kann, ist er ein interessanter Autor, und wenn ich nach der monologisierenden Form und dieser Pseudoverszeile urteilen kann, ist er für mich sprachlich wahrscheinlich interessanter oder reizvoller als inhaltlich.

Inwiefern beeinflußt die Textsorte, oder der Stil des Referats das Resultat, beziehungsweise die Qualität der Übersetzung?

Die Textsorte gibt nicht so viel Ausschlag, der Stil ist da, glaube ich, sehr viel entscheidender. Sobald es sich um einen geschriebenen, vorbereiteten Text handelt, sind die Probleme groß, denn man muss sich fragen: "Soll ich jetzt den Text mitlesen und praktisch eine ad hoc schriftliche Übersetzung machen, was schon an die Grenze des Unmöglichen gerät, oder soll ich zuhören und hoffen, dass mir meine Vorbereitung aus der Patsche hilft." Der Stil ist da sehr viel wichtiger. Es hat hier zum Beispiel einige Referate gegeben, die sehr dicht geschrieben waren und ihre Gedanken nicht so richtig entwickelten sondern vorgefertigte Bauteile, praktisch Montageteile zu einem Text zusammengestellt haben. Diese Dinge sind sehr schwer zu übersetzen. Die adequate Übersetzung wäre nur eine schriftliche und da fällt es dem Dolmetscher oft seht schwer, Gedankengänge zu entdecken, also in dieser langen Reihe von Buchstaben dann tatsächlich die Akzente zu finden, überhaupt das Verb zu identifizieren. Also der Stil ist sehr wohl ausschlaggebend. Ein lebendiger Verbalstil ist viel durchschaubarer als ein Nominalstil, auf jeden Fall.

Angesichts des Stresses, lohnt es sich überhaupt?

Die Frage zeilt wohl aufs Finanzielle. Es ist eine der wenigen intellektuellen Leistungen, die eigentlich angemessen bezahlt werden, ich möchte sagen gut bezahlt werden, weshalb wir auch oft der Kritik der Kollegen ausgesetzt sind, die meinen, dass die Honorare übertrieben sind. Ehrlich gesagt meine ich, es ist umgekehrt: die Honorare für andere Leistungen sind untertrieben. Es ist natürlich immer die Frage der Wertung. Faktum ist, dass man damit recht gut verdienen kann. Interessanterweise stelle ich fest, dass mündliches Übersetzen von vielen Menschen auf dem Markt in letzter Zeit praktiziert wird, die eigentlich nicht spitzenmäßige Leistungen erbringen. Da möchte ich kritisch sein und sagen, dass wahrscheinlich die Auftraggeber sich oft dessen nicht bewusst sind. Ich glaube, dass da ein bisschen die Qualitätskontrolle tatsächlich unter den Tisch fällt. Es wäre eigentlich eine gute Sache, in Kroatien die formale Ausbildung einzuleiten, erst Übersetzer, dann auch Dolmetscher. Dann gäbe es die Möglichkeit, eine Art Garantie zu haben, ob man einen kompetenten Dolmetscher engagiert hat oder nicht.